Nico und die Feuerwehr

 

Es war an einem schönen Morgen im heißen Juli 2003. Trotz der Hitze der vergangenen Tage hatte ich Lust, auszureiten, so lange es noch einigermaßen kühl war. Da gerade Ferien waren, rief ich kurz entschlos- sen mein Reitmädchen Sonja an, um sie zu fragen, ob sie mitkommt. Sie sagte sofort zu und ich holte sie ab.

 

Gegen 11:00 Uhr gingen wir mit den ganzen Reitutensilien zur Weide runter. Wer die Geschichte „Nico´s Rettung“ gelesen hat, weiß ja, wie es ungefähr auf der Weide aussieht. Als wir auf Sichtweite waren, sahen wir nur Wiebke. Und wo war Nico? Na, dachte ich, der steht bestimmt im hohen Gras und wird gleich ange- schossen kommen, wenn er uns bemerkt. Wir gingen näher und riefen ihn. Man hörte ihn wiehern, aber sehen konnten wir ihn immer noch nicht. Außerdem kam das Wiehern von einer völlig anderen Seite, als von da, wo er eigentlich auf der Weide stehen müsste. Komisch! Wo blieb er nur? Ich rief in noch einmal, er wieherte wieder, aber kam immer noch nicht. Als wir bei Wiebke angekommen waren, sahen wir die Bescherung: Er stand in der Schwinge! Man sah nur seinen Kopf. Man kann sich ja bestimmt vorstellen, was wir für einen Schreck bekamen. Wir fragten uns, wie er da wohl rein geraten ist. Nun ja, das war erst einmal egal. Wichtiger war es, ihn dort wieder heraus zu bekommen. Die Schwinge war zu diesem Zeit- punkt ca. 1 m tief und das Ufer noch mal ca. 0,5 m hoch. Der Untergrund war zum Glück fest, so dass Nico dort stehen und laufen konnte. Wir suchten das Ufer ab, um eine niedrigere Stelle zu finden in der Hoff- nung, ihn dort raus zu bekommen. Als eine gefunden war, stieg ich in voller Montur zu Nico ins Wasser und wollte ihn dort hinführen. Er war jedoch nicht dazu zu bringen, mit mir dorthin zu gehen, denn er wollte un- bedingt dahin, wo wir ihn gefunden hatten. Die Uferböschung war an dieser Stelle schon ein wenig ein- gedrückt, weil Nico dort immer mit der Brust gegen gelaufen ist und versucht hat, raus zu kommen. Aber ca. 1,5 m war einfach viel zu hoch für ihn. Mit Anlauf wäre das auch nicht gegangen, da die Schwinge dafür nicht breit genug ist und es im Wasser auch schwer ist, zu laufen. Wir waren erst einmal ratlos. Bis auf das T-Shirt (es war zum Glück recht lang) zog ich alles aus und raste nach Hause, zog mir in Windeseile trockene Sachen an und packte zwei Spaten, alle Stricke, die ich hatte und die Longierpeitsche ins Auto und raste wieder zurück.

 

Wir wollten versuchen, das Ufer so weit abzutragen, dass er raus konnte. Wir gruben wie verrückt, aber es gelang uns nicht, so viel Erde abzutragen, dass es für Nico niedrig genug war. Inzwischen wurde es immer heißer und die Sonne brannte uns auf den Pelz. Dann aktivierte ich meine Bekannte Ingrid, uns zu helfen. Ihr Reitmädchen war gerade bei ihr und ich holte die beiden ab. Wir wollten mit vereinten Kräften ver- suchen, Nico raus zu ziehen. Aber alleine bekamen wir ihn da nicht raus. So blieb nur wieder einmal die Feuerwehr.

 

Während ich oben auf dem Landwirtschaftsweg auf die Feuerwehr wartete, rief ich den Tierarzt an. Er meinte, ich solle ihn wieder anrufen, wenn Nico aus dem Wasser wäre, dann würde er sofort kommen. Die Freiwillige Feuerwehr Schwinge rückte nach 5 Minuten mit vier Leuten an. Einige von ihnen war letztes Jahr dabei, als sie Nico aus dem Graben der überschwemmten Weide gezogen hatten. Dementsprechend war auch der Kommentar: „Da sind wir wieder. Brauchte das Pferd mal wieder eine Abkühlung?“ Ich be- stätigte das, aber es wäre diesmal nicht der Graben, sondern die Schwinge. Es gab allgemeines Gelächter. Auch ich konnte inzwischen wieder lachen, denn ich war froh, die Feuerwehr zu sehen. Einer der Feuer-wehrmänner, Hanno, der seinen Hof in der Nähe hat, wurde nach Hause gefahren, um seinen Buggy (sieht aus wie ein Motorrad auf vier Rädern) zu holen. Mit Feuerwehrschläuchen bepackt, machten wir uns auf den Weg. Inzwischen kamen noch ein paar Feuerwehrleute dazu. Schaulustige gab es auch, und zwar zwei ältere Herren, die mit dem Fahrrad angeradelt waren. Sie sahen sich das ganze aus sicherer Entfernung an.

 

Während Nico vorne und hinten einen Schlauch umgelegt bekam, hörte man die Feuerwehrsirene und wir dachten, dass die Feuerwehr zu einem anderen Einsatz muss. Es war jedoch so, dass das der Nachalarm für uns war! Zusätzlich befestigten wir noch rechts und links am Halfter je einen Strick. Die Stricke wurden am Buggy befestigt und je drei Leute nahmen die hinteren Schläuche und je zwei, die vorderen Schläuche und dann wurde mit vereinten Kräften gezogen. Als Nico halb draußen war, gab es einen kleinen Knall. Das Halfter war zerrissen und Nico rutschte wieder rein! Und nun? Erst einmal bekam Nico das Halfter von Wiebke. Zusätzlich wurde aus einem weichen Strick ein Halfter gebastelt, welches am vorhandenen ver- knotet wurde. Die Schläuche waren ein wenig verrutsch, so dass Hanno sie wieder ordnen musste. Dabei stützte er sich auf Nicos Hals ab. Nico senkte jedoch seinen Kopf, womit Hanno nicht gerechnet hatte und nahm *plumps* ein unfreiwilliges Bad. Dabei gingen sein Handy und sein Melder mit baden (sie waren danach kaputt und wurden später von der Versicherung bezahlt). Als Hanno wieder an Land war, starteten wir den zweiten Versuch. Nico sollte natürlich mithelfen, daher schlug Ingrid mit der Longierpeitsche hinter ihm ins Wasser, um ihn anzutreiben. Das interessierte ihn allerdings nicht, selbst, als sie mit der Peitsche seine Kruppe traf. Man merkte deutlich, dass er total entkräftet war und sich seinem Schicksal ergeben hatte. Er hat das alles irgendwie apathisch über sich ergehen lassen. Er war bestimmt froh, dass man ihm helfen wollte.

 

Nach einer dreiviertel Stunde mit 10 Mann plus Buggy hatten wir ihn raus. Er war fix und fertig und blieb ein, zwei Minuten liegen. Als er aufstand, war er ein wenig wackelig auf den Beinen. Ich war so erleichtert, dass ich ihm um den Hals fiel und erst mal heulen musste. So standen wir ein paar Minuten, bis er los- marschieren wollte. Wiebke war vor Aufregung ganz nass geschwitzt und wartete auf ihren Kumpel. Wir hatten sie auf ein anderes Weidestück gestellt, damit sie uns nicht im Weg war. Damit sie sich beruhigt und Nico zu ihr konnte, habe ich ihm den Strick abgemacht. Er ging, das heißt die ersten Schritte torkelte er wie betrunken, zu Wiebke an den Zaun. Die hat sich sichtlich gefreut, ihn wieder in ihrer Nähe zu haben.

 

Dann habe ich sofort den Tierarzt angerufen, der auch knappe 5 Minuten später da war. Ich dachte noch: Ist der geflogen!? Er hat Nico abgehorcht und festgestellt, dass er ein wenig Wasser in der Lunge hatte, welches er wohl eingeatmet hat, als er ins Wasser fiel. Er gab ihm eine Spritze mit Langzeit-Penizillin. Später habe ich noch Hustensaft beim ihm abgeholt, den ich Nico geben sollte, bis er alle ist. Nico hat das aber sonst alles gut überstanden. Abends sah er zwar noch etwas fertig aus, war aber ansonsten normal. Mir ist er kaum von der Seite gewichen und ich musste ihn immer wieder kraulen. Er war richtig anleh-nungsbedürftig. Es schien so, als ob er sich bei mir bedanken wollte. Nach dieser Aktion quälten mich außer Muskelkater in den Armen jede Menge Insektenstiche.

 

Am nächsten Tag kam er mir gleich entgegen getrabt. Die Futtereimer interessierten ihn zuerst gar nicht. Er wollte gestreichelt werden. Erst als Wiebke, die mal wieder trödelte, weil es ihr wohl zu warm war, kam, war sein Futtereimer plötzlich interessanter. Außer, dass er ein wenig gehustet hat, war er soweit ok. Drei Tage nach der Rettungsaktion war der Tierarzt noch einmal da, um Nico abzuhorchen. Es war kaum noch etwas zu hören und der Husten war fast weg.

 

Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, ist es ja ein Glück gewesen, dass ich ungeplant reiten wollte. War es eine Vorahnung oder Vorsehung? Wie lange er schon in der Schwinge war, weiß man ja auch nicht.

 

Nach Nicos Rettung habe ich noch geguckt, wo er ins Wasser gefallen ist. Er war wohl zu dicht am von der Überschwemmung im letzten Jahr unterspülten Ufer und das brach unter seinem Gewicht ab und er landete im Wasser. Die Pferde stehen dort seit vier Jahren und bis zu diesem Zeitpunkt ist nichts dergleichen passiert. Daraufhin haben wir einen Zaun an der Schwinge längs gezogen, damit so etwas nicht noch einmal passiert.

 

Dieses Mal musste ich den Feuerwehreinsatz bezahlen, da es dieses Mal kein Katastrophenfall war. Das hat mich knapp 500 € gekostet.

 

Ich möchte mich herzlich bei Ingrid, Sonja, Sandra und ganz besonders bei der Freiwilligen Feuerwehr Schwinge für ihre Hilfe bedanken.